Holz als schaumstoffartiges Material, dass sich zu Rohren formen lässt und dabei 80 Prozent Material gegenüber herkömmlichen Fertigungsverfahren einspart: Das ist mit dem Formholz-Verfahren möglich, das vom Institut für Stahl- und Holzbau der Technischen Universität Dresden entwickelt wurde.
Dabei werden massive Platten aus verdichtetem Holz unter dem Einfluss von Wärme, Druck und Feuchtigkeit zu Profilen geformt. Bisher wird das Langholz im Sägewerk zu Brettern geschnitten und bekommt per Schneiden, Hobeln und Fräsen das gewünschte Profil. Beim neuen Verfahren, das Prof. Dr.-Ing. Peer Haller, Dipl.-Ing. Jörg Wehsener und Dipl.-Ing. Sonja Ziegler von der Technischen Universität Dresden entwickelt haben, werden aus dem Rohholz Bohlen geschnitten, erwärmt, gepresst, zu Platten verleimt und zu Rohren geformt. Durch die Stauchung der Zellstruktur werden die Platten sehr dehnbar und tragfähig – sie brechen nicht so leicht wie herkömmlich gearbeitetes Holz. Zudem können sie nachträglich mit synthetischen Fasern verstärkt werden, was sie noch stabiler und witterungsbeständiger macht. Dadurch gibt es eine Fülle neuer Anwendungsgebiete im Bauwesen und in der Architektur, im Leicht- und Anlagenbau sowie im Transportwesen und im Design.
Hauptentwickler Peer Haller sind vor allem die ökologischen Effekte wichtig: „Als besondere Genugtuung empfinde ich es, den zentralen Herausforderungen unserer Zeit – Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit – mit einer besseren Verwendung des Holzes zu begegnen.“ Denn: Bei Formholzrohren werden aufgrund des deutlich geringeren Verschnitts nur rund 20 Prozent der Menge des Rohholzes gebraucht, das beim herkömmlichen Verfahren notwendig ist. Und noch einen wichtigen Unterschied gibt es: „Formholz stellt geringe Anforderungen an die Waldmaße und unterstützt somit den naturnahen Waldbau.“ Für klassisch gearbeitete Rohre werden Nadelbäume bevorzugt, da Kronen von Laubbäumen bei diesem Verfahren nicht verwendbar sind. Da beim Formholzverfahren auch Laubbäume und sogar Äste und Kronen verwendet werden können, ist sowohl eine Abkehr von Fichtenmonokulturen wie auch eine Aufforstung mit standorttypischen Baumarten und schnellwachsenden wie Pappeln möglich.
Am Anfang der Entwicklung stand bei Haller folgender Gedanke: „Wälder sind nicht nur einer der größten, sondern auch einer der billigsten Stoffproduzenten der Erde, und es ist schwer einzusehen, dass ein Rohstoff, der auf etwa einem Drittel der Fläche der Erde mit Hilfe von Sonnenenergie nachwächst, von Materialien preislich unterboten werden kann, zu deren Herstellung wir sehr viel Kapital und Energie aus fossilen Rohstoffen benötigen.“ Er dachte sich: „Das muss auch anders gehen“ – aber die Idee „bedurfte der mühevollen Überzeugungsarbeit“ von Mitarbeitern, Fördermittelgebern, Gutachtern, Patentanwälten, Unternehmern und Universität. 2002 wurde das Verfahren patentiert, dann wurden die Holzrohre zunächst im Labor hergestellt, bevor die industrielle Kleinserie in Angriff genommen wurde: In der Pilotanlage ist die Produktion von 90.000 Rohren pro Jahr möglich.
Eine Fabrikanlage zur Formholzrohrherstellung amortisiert sich laut Haller nach 3,5 Jahren. Da aber von Patentierung bis zur Pilotanlage acht Jahre vergingen, „die häufig durch geduldiges Vorbereiten und Abwarten gekennzeichnet waren“, rechnet er mit einer weiteren Dekade bis zur breiten Anwendung. Doch in der Zwischenzeit wird weitergeforscht: In zwei vom BMWi geförderten Industrienetzwerken entwickeln rund 30 Partner aus Industrie und Forschung das Formholz-Konzept weiter, arbeiten beispielsweise an neuen Beschichtungen und alternativen Profilen. Und der nächste IKU? Dem sind Haller und sein Team nicht abgeneigt, verrät er: „Eine weitere Teilnahme käme nur mit einer Innovation infrage, der ein erneuter Paradigmenwechsel vorausgehen müsste. Ich habe da so eine Idee…“