Ein mitdenkendes System, das Augen und Ohren hat und sich eigenständig an unterschiedliche Prozesse anpasst: Durch seine innovative Technik sorgt der PiT Navigator der Essener Firma Powitec für einen höherer Wirkungsgrad, weniger Kohleverbrauch, reduzierte Kohlendioxid- und Stickstoff-Emissionen sowie eine geringere Verschlackung.
Am Anfang der Entwicklung stand die Tatsache, dass in steinkohlebefeuerten Dampferzeugern in Großkraftwerken die Verbrennung oft nicht so gut läuft, wie sie könnte. Als Gründe für suboptimale Verbrennung nennt Alexander Carl Hanf, Sales Director von Powitec (Process Optimization With Intelligent Technologies), „die stark schwankende Qualität insbesondere importierter Kohle sowie bauartbedingte und kohleabhängige ungleichmäßige Kohlestaubverteilung“. Die suboptimale Verbrennung führt zu erhöhtem Brennstoffeinsatz, gesteigerten Emissionen, unverbranntem Kohlenstoff in der Asche und unnötiger Belastung einzelner Anlagenkomponenten. Hinzu kommen konkurrierende Optimierungsziele: Gleichzeitig sollen die Energieeffizienz maximiert, der Prozess konstant gehalten sowie Emissionen und Unverbranntes minimiert werden.
Bei der klassischen Methode überwachen Menschen die Vorgänge und regeln den Prozess – allerdings mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Tagesformen. Technische Methoden müssen immer wieder neu kalibriert werden. Die Vision von Powitec sah so aus: Eine optimierende Regelung, die nicht immer wieder neu programmiert werden muss, sondern sich selbst adaptieren kann. Die zündende Idee hatte der jetzige Powitec-Geschäftsführer Franz Wintrich. Er forschte seit 1994 an diesem Konzept und entwickelte es zusammen mit Kollegen aus den Bereichen Neuroinformatik, digitale Bildverarbeitung, Verfahrenstechnik sowie Prozesskopplung und -regelung und in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich für Neuroinformatik und kognitive Robotik der Technischen Universität Ilmenau.
Das Ergebnis: Der PiT Navigator nutzt optische Sensoren zur Flammen- und Rauchgasanalyse sowie akustische Sensoren zur Mahlgradanalyse der Kohle und der Mahlwerkzeuge der Mühle. Er liefert so während seiner kontinuierlichen Beobachtung digitale Daten aktueller Messwerte direkt aus dem Verbrennungsprozess. Über eine Schnittstelle werden die Leittechnikdaten permanent an einen Computer geliefert, der mit einer besonderen Software bestückt ist: Neuronale Netze lernen, was der optimale Zustand ist, das Programm bezieht einmal erlebte Prozesszustände ein, kann aber durch seine Lernfähigkeit auch auf neue Zustände reagieren. Im Computer werden Sollwerte und Istzustände abgeglichen, das Prozessleitsystem erstellt vollautomatisch ein Konzept zur Optimierung und schickt die Korrekturen zurück. Die Anlage regelt sich selbst in Richtung Optimum der Brennstoff-Luft-Verteilung. Dadurch wird die Temperaturverteilung vergleichmäßigt, die Durchschnittstemperatur maximiert und der Dampferzeuger-Wirkungsgrad verbessert.
Seit die Entwicklung vor mehr als 20 Jahren begann, gab es einige Veränderungen, so Hanf: „Technische innovative Lösungen auf Basis Künstlicher Intelligenz erfordern höchsten Innovationswillen beim Betreiber. Inzwischen ist diesbezüglich durch Nachwachsen jüngerer Generationen mit höherer EDV-Affinität und entsprechenden Ausbildungsinhalten ein Wendepunkt eingetreten. Das Global Warming und die CO2- beziehungsweise NOx-Problematik gelangen erst heute zunehmend in den Fokus.“
Mit dem PiT-Navigator könne man „ertragssteigernd die Umwelt schützen“: Die Nachrüstung amortisiert sich in ein bis zwei Jahren durch niedrigeren Brennstoffeinsatz, was zugleich eine Ressourcenschonung bedeutet, und Emissionen werden vermieden. Derzeit hält die Neuerung rund 80 Patente und läuft in sechs Großkraftwerkskesseln sowie auf Anlagen der Zementindustrie und in Müllverbrennungsanlagen in 34 Ländern.